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»Wir haben keine Alternative, nur dieses eine Leben« [Spiegel.de am 18.09.2023]

Herr.Kwak 2023. 9. 18. 14:35
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Frauen-Proteste in Iran: Fotografin Forough Alaei über den Preis der Freiheit - DER SPIEGEL

 

Frauen in Iran: Fotografin Forough Alaei über den Preis der Freiheit

Die Bilder der Teheraner Fotografin Forough Alaei haben die Welt wachgerüttelt. Doch ein Jahr nach der Revolte in Iran scheint die Macht des Regimes ungebrochen – und die Angst wächst. Wie lebt man damit?

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Die Bilder der Teheraner Fotografin Forough Alaei haben die Welt wachgerüttelt. Doch ein Jahr nach der Revolte in Iran scheint die Macht des Regimes ungebrochen – und die Angst wächst. Wie lebt man damit?

 


 

Der Videoanruf aus Teheran kommt kurz nach 21 Uhr Ortszeit, drei Stunden nach Sonnenuntergang. Irgendwo in einer Wohnung drängt sich eine Frau zwischen eine Wand und eine kleine Webcam. Forough Alaei, die Fotografin, die in ihren Bildern so groß und intensiv die Wut der iranischen Frauen zeigt, ist plötzlich ganz ruhig. Im Hintergrund piepst eine Klimaanlage. Alaei wirkt schüchtern – und fragt dann doch raumfüllend laut: »Hello! Can you hear me?«

Es ist eine Frage, die sie sonst vor allem mit ihren Bildern stellt. Auf den Fotos von Forough Alaei ist Iran ein Land, in dem Frauen selbstbewusst für ihre Rechte einstehen, sei es ohne Kopftuch am Strand, als Meisterin auf einem Motocross-Bike oder mit abgeschnittenen Haaren auf dem Titel des »Time«-Magazins. Letzteres Bild machte sie Ende vergangenen Jahres über Nacht weltberühmt. Darüber stand: »Heldinnen des Jahres: die Frauen aus Iran«.

Fast genau zwölf Monate ist es her, dass die 22-jährige Jina Mahsa Amini im Gewahrsam der Sittenpolizei ums Leben kann. Danach erlebte das Land eine Welle des Widerstands. Die ganze Welt blickte plötzlich auf Iranerinnen, die ihre Kopftücher ablegten und auf die Straßen gingen. Ihren Kampf für die Freiheit dokumentierte Alaei.

Nun, beinahe ein Jahr später, will sie davon erzählen, wie es zu diesem Bild auf dem Cover des »Time«-Magazins kam. Darüber, wie sie gerade einmal acht Jahre zuvor als Späteinsteigerin zur Fotografie kam. Und warum ihre Bilder trotz allen Unrechts und aller Probleme in Iran eigentlich immer noch oft so leuchtend bunt sind.

Bevor Alaei Fotografin wurde, lebte sie gefühlt schon mindestens zwei Leben. Ihr erstes Studium: Rechtswissenschaften. Der Wunsch ihrer Eltern. Die zweite Karriere: Malerin, inmitten der Kulturszene Teherans.

Erst 2015 bekam sie eine Kamera, eine Nikon, das Geschenk eines Freundes aus dem Ausland. »Ich malte nur, weil ich nicht fotografieren konnte«, sagt Alaei heute. Schon vorher habe sie oft Handys von Freunden geschnappt, um damit zu üben. »Mit dieser einen Kamera hatte ich plötzlich alles, was ich immer wollte.« Ihre oft bunten Motive wirken wie ein Erbe ihres früheren Lebens als Malerin.

Als Fotografin sei es oft von Vorteil, eine Frau zu sein, erzählt sie, das Vertrauen untereinander sei größer, Nähe kein Problem. Fraglich, ob ein Mann das Bild hätte schießen können, das ihre Arbeit auf das Titelblatt des »Time«-Magazins brachte.

Anders ist es im Umgang mit den Behörden. Alaei spricht jetzt sehr vorsichtig, doch die Fakten erzählen genug: Seit fünf Jahren war sie nicht mehr im Ausland. Damals gewann sie den World Press Award für eine Reportage über iranische Fußballerinnen. Kurz darauf wurde sie vorläufig festgenommen und mehrere Tage verhört.

 

Seit fünf Jahren war sie nicht mehr im Ausland
Seitdem hat sie das Land nicht mehr verlassen, war nicht bei der Eröffnung ihrer ersten Solo-Ausstellung in Zürich und auch nicht bei der großen Gruppenausstellung »Iran: Inside out« , die den ganzen Sommer lang auch mit ihren Bildern in Berlin gezeigt wurde. Warum kann sie nicht einmal mehr für solche Anlässe verreisen? »Uncertainty«, sagt Alaei, also Unsicherheit, Unberechenbarkeit. »Ich kann nicht gehen, weil ich nie weiß, was kommt.«

Freundinnen und Freunde seien in den vergangenen Jahren ins Exil gegangen. Sie aber ist geblieben, zusammen mit ihrem Ehemann lebt sie weiter in Teheran. »Wir sind jetzt allein hier.«

Alaei möchte nicht viel über den Aufstand reden, vermeidet das Wort, sagt meist nur: »Dieses eine Jahr.« Lieber spricht sie über Solidarität, über den Zusammenhalt vieler Mütter und Töchter. Schon vor den Protesten zeigte sie die Frauen Irans oft als Heldinnen.

Mit ihren Fotos hat Forough Alaei der Welt nicht nur den Freiheitskampf der Frauen näher gebracht, sondern auch eine neue Seite ihres Landes gezeigt. Sie ist jetzt international bekannt. Sicherlich hätte sie auch mit düsteren Bildern in schwarz-weiß weitermachen können und damit als freiberufliche Fotografin sehr erfolgreich sein, sagt Alaei. Doch es würde eben nicht dem entsprechen, wie sie die Welt und die Menschen um sich herum sieht.

»Natürlich gibt es strenge Gesetze«, erzählt jemand aus ihrem Umfeld, der die Teheraner Kulturszene ebenfalls gut kennt. »Aber unsere Generation, die jungen Leute, sind dennoch sehr offen. Wir reisen, wir feiern. Und wenn wir das tun, wird auch getrunken, das ist doch klar.«

Die Berühmtheit hilft ihr in Teheran nur wenig
Woher kommt dieser Mut? »Wir haben keine Alternative, nur dieses eine Leben«, sagt Alaei. Ein Jahr nach Beginn der Proteste blickt sie dennoch pessimistisch in die Zukunft. In den vergangenen sieben Monaten habe sie keine neuen Aufträge erhalten, sagt sie, die internationale Anerkennung helfe ihr im Alltag in Teheran nur wenig. Sie wirkt erschöpft.

In einem ihrer Bilder zeigt sie eine Handvoll bunter Pillen. Es ist ihre eigene Hand. Sie zeigt Beruhigungsmittel, die ihr ein Arzt verschrieben hat.

Seit ihrer Festnahme vor einigen Jahren schlafe sie schlecht, die Ungewissheit mache ihr zu schaffen. Auch Freunde von ihr berichten in weiteren Gesprächen von Angst, Resignation. Ist diese Unterhaltung, diese Geschichte auch eine Gefahr für sie?

Anfang Juli wurde der iranische Rapper Toomaj Salehi zu sechs Jahren Haft verurteilt, zuvor drohte ihm gar die Todesstrafe. Die inhaftierte Journalistin Hengameh Shahidi trat unlängst vor Verzweiflung in den Hungerstreik. Selbst die Sittenpolizei ist wieder zurück.  Fast täglich werden Menschen hingerichtet, seit Monaten.

Ein Jahr nach dem Tod von Jina Mahsa Amini scheint die Macht des Regimes in Teheran ungebrochen. Die Nervosität, sagen viele Menschen, sei derzeit im ganzen Land zu spüren.

Was macht angesichts dieser düsteren Lage noch Hoffnung? Vor zehn Jahren, sagt die Fotografin Alaei, habe ein Mädchen, das den Hidschab lockerte, den Zorn seiner Eltern fürchten müssen. »Das ist heute anders. Und diese Veränderung im Privaten kann ein Anfang sein für größere Umbrüche.« 

 


 

 

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